Nadelbasierte Injektionssysteme (NIS) prüfen nach ISO 11608
Biologika, im Besonderen neue Medikamente in der Krebstherapie, GLP-1-Medikamente (moderne Wirkstoffe zur Behandlung von Typ-2-Diabetes und Adipositas) und patientenfreundliche Injektionssysteme treiben die Entwicklung moderner Drug Delivery Devices voran.
Die Normenreihe ISO 11608 legt weltweit die Anforderungen und Prüfverfahren für kanülen- bzw. nadelbasierte Injektionssysteme (NIS) fest – von Medikamenten-Pens über Autoinjektoren bis zu Wearable Injectors (OBDS). Sie definiert die mechanische Prüfung, die Dosiergenauigkeit und die Gebrauchssicherheit dieser Systeme und ist damit der zentrale Standard für Device-Hersteller, Zulieferer von Komponenten sowie Pharmaunternehmen, die Kombinationsprodukte aus Arzneimittel und Device entwickeln und qualifizieren.
ZwickRoell bietet hierfür ein breites Portfolio präziser, validierter Prüfsysteme – von manuellen Einzellösungen bis hin zu vollautomatisierten Hochdurchsatzsystemen – konform zu ISO 11608-1 bis -6 sowie weiteren relevanten Normen. Die herstellerunabhängigen Prüflösungen unterstützen Unternehmen weltweit dabei, ihre Entwicklungs- und Qualitätssicherungsprozesse effizient, reproduzierbar und normkonform zu gestalten.
Überblick ISO 11608 Einsatzbereich Relevanz der ISO 11608 Prüflösungen Automatisierung Webinar zum Thema Kundenprojekte Arten von NIS
Übersicht ISO 11608
Die ISO 11608 definiert die Anforderungen und Prüfmethoden für nadelbasierte Injektionssysteme (NIS), die zur sicheren Verabreichung von Medikamenten eingesetzt werden. Dazu gehören Pen-Injektoren (z.B. Insulin- oder GLP-1 Pens), Autoinjektoren, OBDS sowie Karpulen & Spritzen als Teil dieser Kombinationsprodukte.
Nachfolgende Tabelle gibt eine Übersicht über die Inhalte und Schwerpunkte der einzelnen Normenteile:
Norm | Titel / Thema | Wesentlicher Inhalt |
---|---|---|
ISO 11608-1 | Nadelbasierte Injektionssysteme | Legt die allgemeinen Anforderungen und Prüfmethoden für Injektionssysteme fest, die eine Dosierung von flüssigen Medikamenten ermöglichen. Beinhaltet u. a. Funktionssicherheit, Genauigkeit der Dosisabgabe, mechanische Festigkeit, Handhabung, Temperatur- und Falltests. Bei diesen Prüfungen geht es um die Bewertung der Funktionsstabilität, d.h. die Fähigkeit des Pens, seine Primärfunktionen (Dosiergenauigkeit und Pen-Mechanik) über einen best. Zeitraum oder eine best. Anzahl von Betätigungen aufrechtzuerhalten. |
ISO 11608-2 | Kanülen | Bezieht sich speziell auf Nadeln bzw. Kanülen, die in Injektionssystemen verwendet werden. Prüfungen sollen die Kompatibilität von Nadel und Pen inkl. der Dosiergenauigkeit nach Teil 1 sicherstellen. |
ISO 11608-3 | Fertigbehälter (Karpulen) | Definiert Anforderungen und Prüfungen für Fertigpatronen / Karpulen (Cartridges), die in Injektionssystemen eingesetzt werden und beinhaltet Prüfungen zur Bestimmung der Gleitkraft, Losbrechkraft sowie Dichtigkeitsprüfungen für Wiederverschließbarkeit. |
ISO 11608-4 | NIS mit elektronischen Bauteilen | Anforderungen an elektronische Komponenten, z. B. Bluetooth- oder App-Schnittstellen zur Dosisüberwachung, die keine mechanischen Prüfungen erfordern. Kann man hier die Lösungen zu den “Connected devices” einbauen? |
ISO 11608-5 | Automatisierte Funktionen | Bezieht sich speziell auf die Prüfungen an Autoinjektoren wie Abziehkräfte bzw. Aufdrehmoment der Sicherheitskappe, Aktivierungskraft, Injektionszeit, Dosiergenauigkeit, Injektionstiefe, Sicherheitsfunktionen des Nadelschutzes sowie die Überprüfung optischer und akustischer Signale für den Bediener. |
ISO 11608-6 | Systeme zur Verabreichung am Körper (Wearable Injectors / OBDS) | Betrifft körpergetragene Abgabesysteme (OBDS), z. B. tragbare Pumpen oder Patch-Systeme. Bezieht sich auf ISO 11608-1 und stellt die Genauigkeit des Injektionsvolumens in den Fokus: Injektionskraft, -zeit, -tiefe und -volumen unter realen Bedingungen (37 °C). |
ISO 11608-7 | Barrierefreiheit | Anforderungen an die Nutzbarkeit und Ergonomie für Menschen mit Sehbehinderung oder eingeschränkter Motorik. |
Für wen ist die Normenreihe ISO 11608 relevant?
Die Normenreihe ISO 11608 richtet sich an alle Unternehmen, die kanülenbasierte Injektionssysteme (Needle-based Injection Systems, NIS) entwickeln, herstellen oder prüfen. Dazu zählen:
- Hersteller von Pens, Autoinjektoren und Wearable Injectors (OBDS)
- Pharmazeutische Unternehmen, die Arzneimittel in Kombination mit Injektionssystemen auf den Markt bringen
- Auftragsentwickler und Prüflabore (CDMOs / CMOs), die im Auftrag von Pharmaunternehmen Prüfungen durchführen
- Zulieferer von Komponenten wie Karpulen, Nadeln, Dichtungen oder elektronische Module
Warum sind Prüfungen nach ISO 11608 relevant?
Die ISO 11608 ist der zentrale internationale Standard für die mechanische Prüfung nadelbasierter Injektionssysteme (NIS) wie Autoinjektoren, Pens und On-Body Delivery Systems (OBDS). Ihre Relevanz ergibt sich aus mehreren Gründen:
- Sicherheit für den Patienten:
Nur durch standardisierte Prüfungen kann gewährleistet werden, dass ein Injektionssystem zuverlässig, sicher und einfach zu bedienen ist – unabhängig davon, ob die Anwendung durch medizinisches Fachpersonal oder den Patienten selbst erfolgt. - Regulatorische Konformität und Marktzulassung:
Für Hersteller, Zulieferer und Pharmaunternehmen, die Kombinationsprodukte aus Arzneimittel und Device entwickeln, ist die Einhaltung der ISO 11608 eine Voraussetzung für die Zulassung. Sie wird von internationalen Behörden wie der FDA und der EMA als anerkannter Stand der Technik betrachtet. - Reproduzierbare Ergebnisse:
Die Norm stellt sicher, dass alle relevanten Funktionen – von der Dosiergenauigkeit über die Aktivierungskraft bis zur Injektionstiefe – objektiv und nachvollziehbar geprüft werden. Das reduziert Anwenderfehler und Reklamationsrisiken. - Effiziente Produktentwicklung:
Frühe Validierung nach ISO 11608 hilft, Entwicklungszyklen zu verkürzen, Prüfprozesse zu standardisieren und Anforderungen aus dem Risikomanagement gezielt umzusetzen.
Prüflösungen für nadelbasierte Injektionssysteme nach ISO 11608
ZwickRoell begleitet seine Kunden von der Designverifikation bis zur Chargenfreigabeprüfung – mit Lösungen, die von der Forschung und Entwicklung bis zur Qualitätssicherung skalierbar sind.
ISO 11608-Teil | Prüflösung | Gerätetyp / Anwendung | Einsatzbereich |
---|---|---|---|
-1 | ZwickRoell Universalprüfmaschinen (z. B. zwickiLine) | Pen-Injektoren – Dosiergenauigkeit, Aktivierungskraft | F&E, QS |
-2 | Prüfstände für Nadeln & Karpulen | Messung von Eindringkraft, Bruchfestigkeit | QS, Produktion |
-3 | Reibungs- & Gleitkrafttests | Spritzen, Karpulen | QS |
-5 | roboTest R & automatisierte Testsysteme | Autoinjektoren – Cap Removal, Klickerkennung, Injektionszeit | F&E, Serienprüfung |
-6 | Prüfsysteme für OBDS | Haftkraft, Durchflussraten, Injektionszeiten | Designverifikation |
Pen-Prüfmaschinen für jeden Fertigungsschritt
ZwickRoell bietet unterschiedliche Lösungen für die Prüfanforderungen der ISO 11608-Serie an.
- Die Bestimmung der Dosiergenauigkeit nach 11608-1 wird normalerweise am fertigen Produkt bestehend aus Pen, Karpule und Nadel durchgeführt und dient der Überprüfung der abgegebenen Dosismenge im Freigabeprozess von Injektionssystemen (F&E) oder der Qualitätskontrolle in der Produktion. Damit findet sie hauptsächlich in der Pharmaindustrie sowohl bei Medikamentenherstellern als auch bei Medikamentenabfüllen ihren Einsatz.
- Rear-Part Testing bei Pen-Injektoren: Auch Hersteller von Pen-Injektoren müssen ihren Kunden die Genauigkeit der Ausschüttung nachweisen. Der „Rear Part“ bezeichnet den hinteren Mechanismus eines Dosierpens, also den Teil des Geräts, mit dem der Anwender die Dosis einstellt und die Injektion auslöst. Er umfasst typischerweise:
- Dosierrad oder Dosisknopf
- Antriebseinheit / Gewindespindel
- Feder- oder Rastsysteme
- Auslösetaste / Druckknopf
- und wird ohne Medikamentenfüllung (in Anlehnung an ISO 11608-1) ausgeführt. Hierbei wird dann neben den Kräften/Momenten der Vortrieb der Kolbenstange hochgenau gemessen.
Pen-Funktionstester zur Prüfung der Pen-Mechanik:
- Der Pen wird ohne Karpule und Medikament getestet
- Einsatz: Hauptsächlich bei Kunden aus dem Bereich Kunststoff-Spritzguss in der Produktion nach dem Zusammenbau, im Zuge einer Endkontrolle, sowie in der F&E zur Ermittlung der Lebensdauer bei wiederverwendbaren Pen-Systemen.
Penprüfmaschine zur Ermittlung der Dosiergenauigkeit nach ISO 11608-1:
- Der Pen wird mit Karpule und Medikament getestet.
- Einsatz: Hauptsächlich bei Kund
Automatisierte Prüfung von Insulinpens und Medikamentenpens nach ISO 11608
Bei der Prüfung von Insulin- oder Medikamentenpens ist ein zeit- und ressourcensparender Prüfprozess oft wichtig. Eine Material-Prüfmaschine zwickiLine mit integriertem Torsionsantrieb in Kombination mit einem automatisierten Prüfsystem sorgt für sichere und wirtschaftliche Prüfergebnisse.
Der Prüfassistent roboTest N unterstützt den Anwender bei einfachen Anwendungen. Mit einer Magazinfüllung können typischerweise 30 Insulin- oder Medikamentenpens automatisiert geprüft werden. Der Prüfassistent roboTest N kann flexibel und einfach an veränderte Prüfanforderungen angepasst werden, ohne dass spezielle Programmierkenntnisse erforderlich sind.
Das Roboter-Prüfsystem roboTest R ermöglicht die vollautomatische Messung verschiedener Funktionen des Insulinpens. Beispielsweise können die Dosierungseinstellung, die Auslösekraft, der Hub und die abgegebene Dosis in einem fortlaufenden Vorgang gemessen werden. Die Prüfverfahren der beiden Prüfachsen sind beliebig modifizier- und kombinierbar.
Mit Hilfe der Automatisierungssoftware autoEdition3 werden aus dem dazugehörigen Magazin die Insulinpens in die Prüfmaschine geführt und anschließend die Prüfung gestartet. Verfälschungen der Prüfergebnisse durch Bedienereinflüsse sind somit ausgeschlossen. Der Prüfprozess wird aufgrund des erhöhten Probendurchsatzes deutlich effizienter. Bei Bedarf können aber auch jederzeit manuelle Prüfungen durchgeführt werden.
In Kombination mit der Prüfsoftware testXpert und der Option “Erweiterte Nachvollziehbarkeit“ gemäß FDA 21 CFR Part 11 ist eine vollständige und nicht manipulierbare Dokumentation des Prüfprozesses möglich.

Global Industry Manager Medical & Pharma – ZwickRoell GmbH & Co. KG
Mit über 17 Jahren Erfahrung bei ZwickRoell ist Erik Berndt einer der führenden Experten für Prüflösungen in der Medizin- und Pharmaindustrie mit fundierten Kenntnissen über internationale Normung, Vorschriften und Anforderungen an die Datenintegrität.
Als Mitglied mehrerer internationaler ISO- und DIN-Ausschüsse wie dem Technical Committee “ISO/TC 84 - Devices for administration of medicinal products and catheters” trägt er aktiv zur Weiterentwicklung der Normen für Drug Delivery Devices bei. In zahlreichen Vorträgen und Webinaren vermittelt er Fachwissen zu branchenspezifischen Herausforderungen, Prüfmethoden und Prüflösungen.
Webinar-Recording
In diesem Webinar erklärt Erik Berndt, Global Industry Manager Medical & Pharma bei ZwickRoell, die neuesten Entwicklungen in der mechanischen Prüfung nadelbasierter Injektionssysteme (NIS) nach ISO 11608. Erfahren Sie, wie Autoinjektoren, Pens und On-Body Delivery Systems (OBDS) zuverlässig geprüft werden – von der Designverifikation bis zur Serienprüfung:
- Überblick über die ISO 11608-Reihe (Teil 1–6)
- Aktuelle Aktivitäten im Technical Committee ISO/TC 84
- Neu: Power Pack Rear Part Testing – Prüfung von Autoinjektoren ohne Medikament
- Reproduzierbare Ergebnisse durch Daily Check & Poka Yoke
- Voll- und halbautomatisierte Prüfsysteme mit Kamera und KI
- Verbindung zu weiteren Normen (ISO 11040, ISO 23908, ISO 8362)
- Qualifizierungs- und FDA-konforme Softwarelösungen
Interessante Referenz- und Kundenprojekte in der Prüfung von Injektionssystemen
Begriffsdefinitionen: Was versteht man unter NIS?
Der Begriff NIS (Needle-based Injection System) bezeichnet kanülenbasierte Injektionssysteme, die ein Medikament parenteral – also unter Umgehung des Verdauungstrakts – in den Körper abgeben. Diese Systeme sind darauf ausgelegt, dem Anwender eine präzise, sichere und komfortable Verabreichung von Arzneimitteln zu ermöglichen.
Arten und Komponenten von NIS und ihre Merkmale
Ermöglicht die Injektion einer variablen Dosis eines Medikaments, meist Insulin oder Wachstumshormone. Besteht typischerweise aus einer Karpule (Glaszylinder mit Gummistopfen) und austauschbarem Doppelnadelsystem mit patientenseitiger und karpulenseitiger Nadel. Der Anwender stellt die Dosis manuell ein und führt die Injektion per Knopfdruck oder mechanischer Bewegung aus. Anforderungen und Prüfmethonden an Medikamenten-Pens sind in den Normen ISO 11608-1, ISO 11608-2 und ISO 11608-3 festgelegt.
Eine Karpule (Englisch “Cartridge”) ist ein Glaszylinder, der am vorderen Ende mit einer Durchstichmembran verschlossen und mit einer Aluminiumkappe gesichert wird. Das hintere Ende der Karpule ist mit einem Gummistopfen verschlossen. Der Glaszylinder wird mit Parenteralia (sterile Medikamenten-Zubereitung) gefüllt. Prüfungen an der Karpule sind in ISO 11608-3 definiert und umfassen Losbrech- und Gleitkraft sowie Dichtigkeitsuntersuchungen.

Ein Autoinjektor ist ein NIS zur einmaligen automatischen Injektion des gesamten Medikamentenvolumens. Er enthält meist eine vorgefüllte Spritze (PFS) und einen Federmechanismus, der die Injektion nach Aktivierung auslöst. Autoinjektoren wurden für eine sichere Selbstmedikation entwickelt – zum Beispiel Adrenalin-Injektoren bei Anaphylaxie, Injektoren bei Migräne oder Autoimmunerkrankungen.
Aktuell befinden sich zwei verschiedene Arten von Autoinjektoren auf dem Markt: Autoinjektoren mit Auslösung über Nadelschutz (die Injektion wird ab einer bestimmten Kraft automatische ausgelöst) und Autoinjektoren mit Auslöseknopf (Injektion wird durch Auslöseknopf vom Bediener gestartet). Die Anforderungen und Prüfmethoden für Autoinjektoren sind in Teil 5 der ISO 11608 definiert.
Eine Spritze / Fertigspritze ist eine einfache, vorgefüllte Injektionseinheit (PFS = prefilled syringe), die direkt oder in Kombination mit einem Autoinjektor eingesetzt wird. Prüfungen betreffen unter anderem Gleitkraft, Losbrechkraft und Nadelschutzmechanismen. Die vorgefüllte Spritze selbst wird nach den Normen ISO 11040-4, ISO 11040-6 und ISO 11040-8 geprüft. In Kombination mit einem Autoinjektor werden die Prüfungen an der Spritzen über die ISO 11608-5 abgedeckt.
Ein OBDS ist ein tragbares Injektionssystem, das über Stunden oder Tage hinweg größere Medikamentenvolumina (bis > 20 ml) verabreichen kann. Es wird direkt auf der Haut befestigt (geklebt) und eignet sich für hochviskose Biologika, die in der Krebstherapie, bei Autoimmunerkrankungen und neurologischen Erkrankungen eingesetzt werden. Prüfungen erfolgen nach ISO 11608-6.