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Kryogene Prüfverfahren

Materialprüfung bei kryogenen Temperaturen

Die kryogene Prüfverfahren (Tiefsttemperaturen unterhalb <120 K) sind besonders im stark wachsenden Sektor der Wasserstofftechnologie erforderlich. Das Ziel: Materialcharakteristika zu identifizieren und Erkenntnisse über das Werkstoffverhalten bei tiefsten Temperaturen - den Einsatztemperaturen des Materials - zu erhalten. Beim Transport und der Lagerung von flüssigem Wasserstoff beträgt diese Einsatztemperatur 20 K.

Dabei ist neben den rein statischen Eigenschaften unter Zug-, Druck- oder Schubbelastung bei Tiefsttemperatur auch das Ermüdungsverhalten bzw. bruchmechanische Verhalten von hohem Interesse, da Wasserstoff in Kontakt mit Sauerstoff bereits in geringen Mengen explosiv ist und ein Werkstoffversagen fatale Folgen hätte.

ZwickRoell bietet für kryogene Prüfverfahren wie Zugversuch, Ermüdungsprüfung oder Schlagversuch folgende Möglichkeiten:

Kühlung mit Temperierkammern Kühlung mit Tauchkryostaten Kühlung mit Durchflusskryostaten kryogener Schlagversuch Passende Kryo-Prüfmaschinen

Ziel des Kryo-Versuchs

Speziell bei der Flüssigwasserstoffspeicherung spielen aus Sicht der Materialprüfung folgende Gesichtspunkte eine große Rolle:

  • Die Untersuchung des statischen, dynamischen und bruchmechanischen Werkstoffverhaltens im kryogenen Bereich und die Ermittlung der für Design und Nachweisführung entsprechender Materialstrukturen erforderlichen Kennwerte. Da Wasserstoff in Kontakt mit Sauerstoff in bestimmten Mengen explosiv ist und ein Werkstoffversagen fatale Folgen hätte, ist insbesondere das Ermüdungsverhalten bzw. bruchmechanische Verhalten von hohem Interesse.
  • Bei der H2-Infrastruktur steht der Composite-Werkstoff - anders als bei Metallen - oft nicht in direktem Kontakt zum Medium Wasserstoff. Aus diesem Grund kann bei der Prüfung von Composites zum Erreichen der Prüftemperatur von 20 K auch das weit weniger komplex zu handhabende Kühlmedium Helium eingesetzt werden.
  • Bei Composite Materialien führen die sehr unterschiedlichen Wärmeausdehnungskoeffizienten der Faser und Matrix in faserverstärkten Kunststoffen im Herstellungsprozess zu eingefrorenen Spannungen im Werkstoff. Durch die weit größeren Temperaturunterschiede bei Anwendungen in der Wasserstofftechnologie kommt es zu starken thermo-mechanischen Belastungen. Dieses Verhalten gilt es bei realen Temperaturen genau zu verstehen, da durch die starken Druck- und Temperaturschwankungen (z.B. bei der Betankung) im Composite Werkstoff Mikrorisse entstehen können, welche die mechanischen Eigenschaften, sowie die Permeabilität negativ beeinflussen.

Für die Prüfung im kryogenen Bereich werden je nach Einsatztemperatur und Anwendung Temperierkammern, Durchflusskryostate und Tauchkryostate eingesetzt. Mit diesem Tiefsttemperatur-Prüfequipment lassen sich je nach Ausführung Prüftemperaturen im kryogenen Bereich zwischen 20 K und 130 K erreichen. 

Nachdem die Kosten für Helium deutlich über den Kosten für Stickstoff liegen, ist es immer eine Abwägung zwischen Aufwand und Nutzen für welchen Temperaturbereich und welches Kühlmedium man sich entscheidet. Die Prüftemperaturen an sich werden durch die Anwendung bestimmt.

Normen für kryogene Prüfverfahren

Normen für kryogene Prüfungen an Composite

Normen für kryogene Prüfungen an Metallen

  • ISO 6892-3: Zugversuch bei bei tiefen Temperaturen
  • ASTM E1450: Prüfverfahren für die Spannungsprüfung an Baustählen in flüssigem Helium

Kryogene Prüfung in der Wasserstoffspeicherung

Es gibt es drei Möglichkeiten einer besonders effektiven Wasserstoffspeicherung, aus denen sich die Anforderungen für unterschiedliche Tanktypen ergeben, die ausschlaggebend sind für die zu wählenden Prüfparameter.

  • Im flüssigen Zustand bis 4 bar im Bereich der Verflüssigung von Wasserstoff bei 20 K
  • Im Druckbereich von 250 …700 bar bei Raumtemperatur
  • Im Druckbereich von 500 … 1000 bar zwischen 33 und 73 K

Besonders Flüssigwasserstoff stellt eine Alternative dar, um Wasserstoff in großen Mengen zu transportieren. Neben Metall werden bei Flüssigwasserstoff-Anwendungen häufig Composites eingesetzt. Diese haben im Vergleich zu Metallen einen wesentlichen Vorteil: das geringe Gewicht. Dieser Aspekt spielt vor allem bei Anwendungen der Luft- und Raumfahrt oder bei Automotive eine wesentliche Rolle, um sehr leichte Wasserstofftanks zu entwickeln. So sind im Bereich Luft- und Raumfahrt beispielsweise Anwendungen von flüssigem Wasserstoff bei kryogenen Temperaturen interessant – etwa durch die effizientere Speicherdichte. Im Bereich Automotive hingegen setzt die Industrie verstärkt auch auf Behälter zur Speicherung von gasförmigem Wasserstoff bei hohen Drücken. 

Prüfungen zur Bestimmung charakteristischer Werte für die Auslegung und Prüfung von Verbundwerkstoff-/Metallstrukturen an Verflüssigungsanlagen bzw. Flüssigwasserstofftanks unter krypgenen Bedingungen sind daher unerlässlich, um die Sicherheitsanforderungen bestmöglich zu erfüllen und die thermomechanische Beanspruchung zu verstehen, die durch Temperaturänderungen bei Flüssigwasserstoff-Anwendungen entsteht. Dies geschieht - beispielsweise beim Betanken - aufgrund unterschiedlicher Wärmeausdehnungskoeffizienten von Fasern und Matrix in Verbundwerkstoffen.

Kühlung mit Temperierkammer

Für Prüfungen bei erhöhten Temperaturen sowie Tiefstemperaturen bis ca. -170 °C eignen sich Temperierkammern. Dabei ist die Tieftemperatur abhängig vom gekühlten Volumen in der Kammer sowie des Volumens der Prüfgestänge, die in die Temperierkammer hineinragen. In der Ausführung mit Temperierkammer werden die Gestänge von oben und unten in die Temperierkammer eingeführt.

Kühlung mit Stickstoff Tauchkryostat

Bei Stickstoff Tauchkryostaten wird die Werkstoffprobe in ein Stickstoffbad getaucht. Tauchkryostate sind in ihrem Prüftemperaturbereich auf die Temperatur des flüssigen Stickstoffs reduziert. Die Proben werden über ein in sich geschlossenes Lastjoch samt Probenhalter von oben in den Tauchkryostat eingeführt. Sobald der Kryo-Versuch abgeschlossen ist, wird der Stickstoff in der Regel entleert oder verdampft in die Atmosphäre.

Kühlung mit Stickstoff und Helium in einem Durchflusskryostat

Stickstoff- und Helium-Durchflusskryostate werden je nach Kühlmedium von Raumtemperatur bis Tiefsttemperaturen von ca. 20 K betrieben. Dabei ist es entscheidend die Volumina und die Körper, die in den Kryostat hineinragen, auf das Wesentliche zu reduzieren. Die Formel lautet: Je weniger (Metall-) Volumen aus dem Durchflusskryostat herausragt, desto tiefere Temperaturen lassen sich erreichen.

Aus Kostengründen werden Durchflusskryostate mit Stickstoff vorgekühlt. Ist die tiefstmögliche Temperatur des Stickstoffs erreicht, wird mit Helium aus einem Dewargefäß nachgekühlt bis die Endtemperatur von ca. 10 K bis 20 K (-253 °C) erreicht ist. Das Umgebungsmedium um die Probe ist immer Helium. Aufgrund der Kosten ist es möglich, das Gas aufzufangen und entweder zu komprimieren oder wieder zu verflüssigen. 

Als Sondervariante lassen sich ZwickRoell Durchflusskryostate auch mit Wasserstoff betreiben. Hierbei ist Wasserstoff das Umgebungsmedium um die Probe. Die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen im Umgang mit Wasserstoff vorausgesetzt, bedarf es für den Betrieb des ZwickRoell Durchflusskryostats nur weniger technischer Anpassungen.

Reine Tauchkryostate zum Betrieb mit Flüssighelium führt ZwickRoell nicht im Produktprogramm.

Kryo-Pendelschlagwerk mit Helium-Kühlung

Kommt Wasserstoff in Kontakt mit Sauerstoff kann er in bestimmten Mengen explosiv sein. Ein Werkstoffversagen von Wasserstoff führenden Bauteilen hätte fatale Folgen. Deshalb sind die Zähigkeitseigenschaften eines Materials - neben mechanischen Eigenschaften und dem Ermüdungs- und bruchmechanischen Verhalten – von hohem Interesse für die Materialforschung. 

Das Kryo-Pendelschlagwerk wird zur Bestimmung von Zähigkeitseigenschaften unter kryogenen Bedingungen eingesetzt. Mit Hilfe einer speziellen Kühlvorrichtung wird eine Charpy-Probe gekühlt, bis sie eine Temperatur von 20 K erreicht hat. Anschließend wird ein klassischer Charpy Kerbschlagbiegeversuch nach DIN EN ISO 148-1 wird an der extrem kalten Metall-Probe durchgeführt. 

Ein instrumentiertes Pendelschlagwerk misst die Kraft während des Aufpralls, liefert Daten zu Spannung und Dehnung und gibt Aufschluss über bruchmechanische Zähigkeitskenngrößen. Die Instrumentierung ermöglicht es daher, die Versagensart und nicht nur die Versagensenergie zu bestimmen.

Einsatz in statischen und dynamischen Prüfmaschinen

ZwickRoell bietet die drei genannten kryogenen Prüfeinrichtungen sowohl für statische Prüfmaschinen als auch dynamische Prüfmaschinen. Dabei gilt der Grundsatz: Je tiefer die Temperatur, desto komplexer der mechanische Aufwand.

Damit die Kosten etwa für das Kühlmittel überschaubar bleiben und, um einen möglichst geringen Temperaturgradienten über metallische Durchführungen zu erhalten, empfiehlt es sich darauf zu achten, dass die zu kühlenden Massen – beispielsweise Probenhalter sowie die Durchführungen – ein geringstmögliches Materialvolumen aufweisen. Außerdem sollte die maximale Prüfkraft so gering wie möglich sein. Denn im Unterschied zur Prüfung bei Raumtemperatur haben großzügig gewählte Abmessungen nicht nur hohe Kosten zur Folge, sondern wirken sich auch aus auf die maximal erreichbare Tiefsttemperatur, die Temperatur-Regelbarkeit und letztlich auf sichere und reproduzierbare Prüfergebnisse.

Die Regel: „So viel wie nötig“ kommt in diesem Fall besonders zum Tragen und muss bereits in der Projektierungsphase der Anlage besonderes betrachtet werden. Die Tieftemperatur-Prüfanlagen im ZwickRoell-Produktportfolio haben eine Maximallast von 100 kN.

Bei der Ausführung einer Tieftemperaturprüfanlage müssen folgende Punkte besonders berücksichtigt werden:

  • Richtige Materialauswahl für Probenhalter
  • Möglichst geringes Volumen im Tieftemperaturbereich, damit möglichst wenig Kühlmittel benötigt wird.
  • Temperaturverluste durch das in den Kühlbehälter eingeführte Gestänge möglichst gering halten.
  • Vereisung mit speziellen Heizmanschetten verhindern.
  • Die Prüfmaschine gegen Kondenswasser schützen.
  • Die Ausrichtung und die Ausrichtbarkeit des Laststrangs gewährleisten.
  • Die Kalibrierfähigkeit des Systems gewährleisten.
  • Richtige Auswahl der Extensometer.
  • Kraftnebenschlüsse durch Dichtungen kompensieren.
  • Wärmeausdehnung kompensieren.

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FAQ

Kryotechnik ist die Technik zur Erzeugung von Tiefsttemperauren. Ab Temperaturen von 120 K (-153 °C) oder tiefer spricht man vom kryogenen Bereich. 

Die Werkstoffprüfung im kryogenen Umfeld liefert Materialkennwerte bei tiefsten Temperauren. Diese Technik wird in verschiedenen Industrien eingesetzt um das Werkstoffverhalten unter realen Einsatztemperaturen zu untersuchen.  Die Kryotechnik kommt in der Materialprüfung vor allem in den Bereichen Composite, Metall, Aerospace, Automotive und Energiespeicher (Wasserstoff) zum Einsatz.

Kryogene Temperaturen sind 120 K (-153 °C) und tiefer. Diese Tiefsttemperaturen werden meist in Kelvin angegeben. 

Die kryogene Kühlung wird zur Erzeugung von Tiefsttemperauren verwendet. Meistens werden dazu Flüssiggase wie Stickstoff oder Helium verwendet. 

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