ISO/TS 6892-5 Zugversuch Metall an miniaturisierten Proben
Der Minizugversuch, auch als miniaturisierter Zugversuch oder Zugversuch mit miniaturisierten Proben bekannt, gewinnt in der Werkstoffprüfung zunehmend an Bedeutung. Insbesondere bei der Charakterisierung hochfester und höchstfester Materialien, bei begrenzter Materialverfügbarkeit, Entnahme aus Bauteilen oder in der Forschung und Entwicklung bietet diese Methode entscheidende Vorteile.
Mit der Veröffentlichung der ISO/TS 6892-5:2025 (TS=Technical Specification) wurde erstmals eine internationale Norm geschaffen, die spezifische Anforderungen und Verfahren für den Metall-Zugversuch an miniaturisierten Proben definiert und damit die wachsende Bedeutung dieser Prüfvariante in verschiedenen Industriezweigen anerkennt. Auch die im Mai 2024 aktualisierte ASTM E8/E8M-24 trägt diesem Trend Rechnung und widmet sich insbesondere im Annex A1 gezielt der Prüfung von Miniaturproben.
Einsatzbereiche Herausforderungen Ergebnis-Vergleichbarkeit zu Standard-Proben Probenarten & Abmessungen
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Was versteht man unter Minizugversuch und wo wird er eingesetzt?
Ein Minizugversuch ist ein Zugversuch, der an Proben mit deutlich reduzierten Abmessungen durchgeführt wird. Typischerweise handelt es sich um Flach- oder Rundproben mit kleineren Querschnitten und kürzeren Messlängen. Diese Methode ermöglicht die Ermittlung mechanischer Eigenschaften wie Zugfestigkeit, Streckgrenze und Bruchdehnung bei minimalem Materialeinsatz.
Während Standard-Flachzugproben gemäß ASTM E8 und ISO 6892-1 Messlängen (L0) ab 50,0 mm bis 200,0 mm vorsehen, liegen die zulässigen Messlängen von Miniatur-Flachzugproben nach ISO 6892-5 kleiner 20 mm und bei Rundproben kleiner 15 mm.
mehr zu Miniatur-Probengeometrien nach ISO und ASTM
Grundsätzlich können Minizugversuche an allen metallischen Werkstoffen durchgeführt werden, finden jedoch insbesondere in folgenden Bereichen Anwendung:
- Forschung & Entwicklung: Bei der Entwicklung neuer Werkstoffe stehen oft nur geringe Materialmengen zur Verfügung.
- Additive Fertigung: Die Herstellung von Proben für konventionelle Zugversuche kann zeit- und kostenintensiv sein.
- Hochfeste Materialien: Die Prüfung kleiner Proben reduziert die erforderlichen Prüfkräfte und ermöglicht präzisere Messungen.
- Mega Castings und weitere Bauteile in der Automobilindustrie: Komplexe Geometrien in Fahrwerks- oder Karosserie-Druckgussteilen ermöglichen nur die Entnahme sehr kleiner Probengeometrien.
Besondere Anforderungen des Minizugversuchs nach ISO 6892-5 oder ASTM E8 Annex1
Trotz ihrer reduzierten Größe müssen die miniaturisierten Versuche so ausgelegt sein, dass sie eine zuverlässige und reproduzierbare Bestimmung der mechanischen Kennwerte wie Zugfestigkeit, Streckgrenze und Bruchdehnung ermöglichen. Dabei sind folgende Punkte besonders zu beachten:
- Die Geometrie der Proben muss den Vorgaben der Norm entsprechen, um eine gute Vergleichbarkeit sicherstellen zu können.
- Aufgrund der geringen Abmessungen ist die genaue Ausrichtung der Probe im Prüfaufbau essenziell.
- Prüfgeschwindigkeit und Dehnungsmessung müssen mit hoher Präzision erfolgen. Es sind geeignete Fühleraufnehmer oder optische Messsysteme zu verwenden.
- Die Ergebnisse sind nicht direkt mit Standardproben vergleichbar, es sei denn, es wurde zuvor eine belastbare Korrelation ermittelt.
Wie vergleichbar sind die Ergebnisse zwischen miniaturisierten Proben und Standard-Proben?
Die ISO/TS 6892-5:2025 weist auf Seite 6, Abschnitt 4 „Principle“, ausdrücklich darauf hin, dass die Prüfergebnisse aus miniaturisierten Proben nicht direkt mit Ergebnissen nach ISO 6892-1 vergleichbar sind.
Das bedeutet: Auch wenn die Prüfverfahren ähnlich sind, führen Unterschiede in Probengeometrie und Maßstab (Größeneffekte) zu systematischen Abweichungen – vor allem bei der Bruchdehnung (A, At). Auch der Einfluss von Korngröße und Wärmeentwicklung bei plastischer Verformung spielt eine Rolle.
Die Zugfestigkeit (Rm) und Streckgrenze (Re) sind hingegen bei geeigneter Geometrie und Durchführung in vielen Fällen sehr gut vergleichbar.

Für belastbare Aussagen führen wir im anwendungstechnischen Prüflabor von ZwickRoell Vergleichsversuche durch und unterstützen Sie darüber hinaus bei der Auswahl und Konfiguration Ihres Prüfsystems für die Prüfung Ihrer Miniatur-Zugproben.
Karin Hanak - Head of Applications Engineering & Testlabs bei ZwickRoell
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ZwickRoell Prüflösungen für Minizugversuch nach ISO/TS 6892-5
Die Norm ISO/TS 6892-5:2025 sowie generell die Prüfung von miniaturisierten Proben stellt höchste Ansprüche an Prüfaufbau, Probenhalterung, Kraftmessung, Ausrichtung der Probe (Alignment) und Dehnungsmessung. Genau hier liegt die Stärke von ZwickRoell. Für die Prüfung an Miniaturproben gibt es nicht die eine Prüflösung für Ihre individuelle Prüfanforderung. Durch unsere Experten in der anwendungstechnischen Beratung stellen wir sicher, dass wir aus unseren unterschiedlichen Prüflösungen das für Sie passende Prüfsystem konfigurieren - für vergleichbare, sichere Prüfergebnisse.
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Die folgenden Prüflösungen sind exemplarisch:
Prüfmaschinen Probenhalter & Alignment Extensometer Prüfung Hochtemperatur Automatisierte Prüflösungen
Universal einsetzbare Prüfmaschinen in einem großen Kraftbereich
Während klassische Versuche an Metallproben große Prüfkräfte erfordern liegt die maximale Prüfkraft bei miniaturisierten Proben oft im kleinen Kraftbereich. Unsere zwickiLine Universalprüfmaschine bis 5 kN ist hier i.d.R. ausreichend. Die ZwickRoell Universalprüfmaschinen – wie die bewährte AllroundLine mit Prüfkräften bis 250 kN – sind im unteren Kraftbereich so genau kalibriert, dass auch geringe Kräfte <5 kN mit höchster Präzision erfasst werden. So können Miniaturproben in bestehenden Prüfsystemen geprüft werden – bei voller Normkonformität nach ISO 7500-1 bzw. ASTM E4 (Klasse 1 oder besser).
Flexible Probenhalterlösungen – individuell und anpassungsfähig
Gemäß ISO/TS 6892-5 besitzt die kleinste Probenform eine Messlänge von nur 5 mm. ZwickRoell bietet aus einem breiten Standard-Portfolio an Probenhaltern die für Ihre individuellen Miniaturproben ideale Lösung: mechanisch, pneumatisch oder hydraulisch gespannt – angepasst an Werkstoff, Probengröße, Schulterlänge und verbleibender Einspannlänge. Unsere Experten beraten Sie ausführlich und entwickeln gemeinsam mit Ihnen eine passende Probenhalter-Lösung.
Perfekte Ausrichtung – ein entscheidender Erfolgsfaktor
Die exakte axiale Ausrichtung (Alignment) der Probe ist für die Gültigkeit des Versuchs essenziell. Neben einer Alignment-Prüfvorrichtung sowie präzise einstellbaren Probenanschläge kann die Ausrichtung der Probe bei Bedarf durch unsere Spezialisten überprüft werden – ein zentraler Bestandteil unserer anwendungstechnischen Beratung.
Extensometer für höchste Genauigkeit im kleinen Maßstab
Gerade bei kurzen Messlängen und geringen Dehnungen ist eine präzise Dehnungsmessung entscheidend. ZwickRoell setzt hier auf berührungslose optische Systeme wie den videoXtens 1-32 HP/TZ – der insbesondere für die Prüfung im Hochtemperatur-Bereich z.B. nach ISO 6892-2 ausgelegt ist, sich aber auch für die Prüfung an Miniaturproben bei Raumtemperatur bestens eignet. Die hohe Auflösung, der Ausgleich lateraler Probenbewegungen und die automatische Nachführung des Messbereichs gewährleisten zuverlässige Ergebnisse bei Bruchdehnungen, Streckgrenzen und Elastizitätsmodul. Zudem ermöglicht Digital Image Correlation (DIC) eine detaillierte Analyse des Bruchverhaltens über die gesamte Probenlänge hinweg – ein Plus für Forschung und Entwicklung.
Als Alternative zur Dehnungsmessung mit Video-Extensometern eignet sich der Fühleraufnehmer makroXtens, welchen wir speziell für Zugversuche an miniaturisierten Proben mit Spezialfühlern für eine Messlänge L0 ab 5 mm zur Verfügung stellen.
Zugversuch an Mikro-Proben unter Hochtemperatur
Für die präzise Charakterisierung von Mini‑ und Mikroproben bei hohen Temperaturen bietet ZwickRoell ein überzeugendes Produktportfolio.
- Mit dem laserXtens 1‑32 HP/TZ werden Miniproben bereits ab einer Messlänge von 1,5 mm mit höchster Genauigkeit gemessen – bei Raum- wie auch Hochtemperatur bis zu +2.000 °C, in der Genauigkeitsklasse 0,5 nach EN ISO 9513.
- Hochtemperatur-Öfen - vor allem mit kurzen Längen und 1, 2 oder 3 Heizzonen - eignen sich ideal für die Prüfung von diesen Mini- und Mikroproben und stellen die präzise Temperierung entlang der Probe sicher.
- Eine Ausrichteinheit und starre Laststränge garantieren optimale Testbedingungen sowie sichere und reproduzierbare Prüfergebnisse auch bei kleinsten Proben und extremen Temperaturbedingungen.
- Als Alternative zum Laser-Extensometer bietet das videoXtens 1‑32 HP/TZ als berührungsloses, kamerabasiertes Messsystem eine ideale Hochtemperatur‑Option.
Mehr Information zu unserem Zubehör für die Hochtemperatur-Prüfung
Optional: Automatisierter Minizugversuch
Für besonders zuverlässige Prüfergebnisse kann der Minizugversuch auch automatisiert durchgeführt werden. Mit dem Prüfsystem roboTest N von ZwickRoell übernimmt ein Roboter das Probenhandling sowie das präzise Klemmen der Miniaturprobe in den Probenhaltern. Bedienereinflüsse wie Handtemperatur oder Handfeuchtigkeit, aber auch schräges oder ungenaues Klemmen der kleinen Proben in den Probenhaltern kann durch den Roboter komplett ausgeschlossen werden. Mit einem Laser-Querschnittsmessgerät lassen sich außerdem die Dicke und Breite der Miniaturprobe exakt bestimmen, was die Vergleichbarkeit der Prüfergebnisse zusätzlich erhöht.
Durch den Einsatz automatisierter Prüfsysteme wird nicht nur die Effizienz gesteigert, sondern auch die Bedienersicherheit deutlich erhöht: Das Einlegen der Probe durch den Roboter schützt das Laborpersonal effektiv vor Verletzungen wie beispielsweise dem Einklemmen oder Quetschen der Finger beim Klemmen der Probe.
Zur besseren Nachvollziehbarkeit und Kontrolle der Prüfergebnisse können die Probenreste nach der Prüfung in Tüten verpackt werden. Somit können sie einfach und sicher den Prüfergebnissen für eventuelle Nachuntersuchungen zugeordnet werden.
Miniaturisierte Zugproben - Arten & Abmessungen
ISO/TS 6892-5 legt vier verschiedene Probenformen (Form A bis D) für miniaturisierte Flachproben fest. Für Rundproben sind 3 verschiedene Probenformen (Form P bis R) vorgegeben. Form D und P erfüllen die Vorgaben der ISO 6892-1 in Bezug auf die Messlänge.
ASTM E8/E8M legt explizit in Annex A1 drei verschiedene Probenformen für miniaturisierte Flachproben fest. Darüber hinaus werden in ASTM E8/E8M in Kapitel 6 für verschiedene metallische Produkte wie Feinblech, Grobblech, Rohre mit großen Durchmessern weitere “subsize specimen” sowie “small-size specimen” Rundproben dargestellt.
Miniaturisierte Flachproben
in mm (inch) | Messlänge L0 | Breite im Messbereich b | Länge im parallelen Bereich der Probe Lc | Gesamtlänge L | Breite im Klemmbereich B |
---|---|---|---|---|---|
ISO/TS 6892-5 | |||||
Form A | 5 | 1,25 | 7,5 | 23 | 4 |
Form B | 10 | 2 | 12 | 32 | 6 |
Form C | 10 | 2,5 | 15 | 35 | 6,5 |
Form D* | 20,5 | 5 | 28 | 70 | 12 |
ASTM E8/E8M “Annex A1” | |||||
Miniature Specimen 3 (6) | 2+0,1 (0.1+0.01) | 1±0,02 (0.04+0.001) | 2,6±0,1 (0.13±0.01) | 8 (0.3) | 4 (0.2) |
Miniature Specimen 2 (5) | 4+0,2 (0.16+0.01) | 1±0,02 (0.04+0.001) | 4,5±0,2 (0.17±0.01) | 15 (0.6) | 3 (0.1) |
Miniature Specimen 1 (4) | 8,5+0,5 (0.34+0.02) | 1,5±0,02 (0.06+0.001) | 10±0,2 (0.39±0.01) | 25 (1) | 4 (0.2) |
ASTM E8 "Subsize Specimen" | 25 (1.0) | 6 (0.25) | 32 (1.25) | 100 (4) | 10 (0.375) |
Miniaturisierte Rundproben
in mm (inch) | Messlänge L0 | Durchmesser im Messbereich b | Länge im parallelen Bereich der Probe Lc | Gesamtlänge L |
---|---|---|---|---|
ISO/TS 6892-5 | ||||
Form P* | 15 | 3 | 18 | 32 |
Form Q | 12,5 | 2,5 | 15 | 29 |
Form R | 10,5 | 2 | 12 | 26 |
ASTM E8 Small-Size-Specimen** | ||||
Probe 3 | 24±0,1 (1±0.005) | 6±0,1 (0.25±0.005) | 30 (1.25) | |
Probe 4 | 16±0,1 (0.64±0.005) | 4±0,1 (0.16±0.003) | 20 (0.75) | |
Probe 5 | 10±0,1 (0.45±0.005) | 2,5±0,1 (0.113±0.002) | 16 (0.625) | |
ASTM E8M Small-Size-Specimen*** | ||||
Probe 4 | 20±0,1 (0.8±0.005) | 4±0,1 (0.16±0.003) | 24 (1) | |
Probe 5 | 12,5±0,1 (0.565±0.005) | 2,5±0,1 (0.113±0.002) | 20 (0.75) |
* erfüllen die Vorgaben der ISO 6892-1 in Bezug auf die Messlänge
** proportional zur Standard-Probe (L0 4xDurchmesser)
*** proportional zur Standard-Probe (L0 5x Durchmesser)

ÜBER DEN AUTOR:
Dr. Harald Schmid
Global Industry Manager Metalle | ZwickRoell GmbH & Co. KG
Als Global Industry Manager verantwortet er die Branchenstrategie im Bereich Metalle mit Fokus auf Marktbeobachtung, Weiterentwicklung von Prüflösungen sowie der vertrieblichen Unterstützung im internationalen Umfeld.
Er bringt umfassende Erfahrung aus der Normungsarbeit mit und engagiert sich aktiv in verschiedenen Gremien: unter anderem im internationalen ISO-Komitee „ISO/TC 164 Mechanical Testing of Metals“ sowie in nationalen DIN-Arbeitskreisen wie dem NA 062-01-42 AA Zug- und Duktilitätsprüfung für Metalle und dem NA 062-01-47 AA Schlagzähigkeitsprüfung für Metalle und mechanisch-technologische Prüfung an metallischen Rohren.
Sein akademischer Werdegang begann mit einem Maschinenbaustudium (B.Sc. & M.Sc.) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Nach internationalen Stationen im Maschinenbau forschte er an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Fokus auf Materialcharakterisierung und Blechumformung. Seine Promotion widmete er dem Thema Tiefziehprozesse mit Ziehsicken.
Interessante Kundenprojekte mit Miniaturproben
- 50 - 100 kN
- -80 bis +2.000°C
- CF, LCF
- CCG, CFCG
- FCGR,TMF
- SSRT, HE
- Creep
- Stress Relax
- Tensile
- Compresion
- Flexure